Troisieme rencontre franco-allemande d'histoire militaire. Les relations franco-allemandes en matière d’armement au XXe siècle : de la rivalité à la coopération

Troisieme rencontre franco-allemande d'histoire militaire. Les relations franco-allemandes en matière d’armement au XXe siècle : de la rivalité à la coopération

Organisatoren
Centre d'Études histoires de la Défense in Vincennes, MGFA Potsdam, Deutsches Historisches Institut Paris
Ort
Paris
Land
France
Vom - Bis
12.05.2006 -
Url der Konferenzwebsite
Von
Birte Löschenkohl, Frankfurt/Oder; Tina Planck, Mannheim/Stuttgart; Andreas Roessner, Paris; Patricia Wiegmann, Erfurt

„Von der Rivalität zur Zusammenarbeit“ – unter diesem Zeichen stand das dritte militärgeschichtliche Kolloquium im Rahmen der „rencontres franco-allemandes d´histoire militaire“ am 12. Mai 2006 im Deutschen Historischen Institut Paris (DHIP). Der Erfolg der zwei vorherigen Treffen zu den Themen „Die Beziehungen zwischen Armee und Macht seit 1870“ und „Ungehorsam und Verrat im Militär“ 1 war einer der Gründe, die Veranstaltung diesmal auch dem wissenschaftlich interessierten Publikum zu öffnen. Zudem gab es im Bereich der Organisatoren Neuerungen: neben dem DHIP und dem Centre d´études d´histoire de la défense (CEHD) war nun erstmals das Militärgeschichtliche Forschungsamt (MGFA, Potsdam) aktiv beteiligt. Klaus-Jürgen MÜLLER (Universität Hamburg) und Jean-Christophe ROMER (CEHD) unterstrichen in ihren einleitenden Worten die Kontinuität, mit der sich Historiker beider Länder übergreifenden militärgeschichtlichen Problemen widmeten. Für das dritte Treffen, das überwiegend in französischer Sprache durchgeführt wurde und den bislang wenig berücksichtigten Bereich der Rüstungsgeschichte ins Zentrum stellte, hatten die Organisatoren Jörg ECHTERNKAMP (MGFA/DHIP), Stefan MARTENS (DHIP) und Jean-Christoph ROMER französische und deutsche Experten, Historiker und Ingenieure, eingeladen.2

Der transdisziplinäre Charakter des Colloquiums schlug sich im Beitrag von Patrice BRET (Centre des hautes études de l’armement, CEHAr, Paris) über französische Forschungsinstitute und die Erforschung deutscher Kriegsmaterialien nieder. Technische, politische sowie soziale Aspekte spielten ab dem Ersten Weltkrieg, dem ersten „wissenschaftlichen Krieg“, eine wichtige Rolle. Deutschland habe am Ende des 19. Jahrhunderts im Bereich der Chemie eine Vormachtstellung gehabt, während in Frankreich die militärischen und zivilen Forschungsanstalten trotz einer langen zentralistischen Tradition oft unkoordiniert und dementsprechend ineffizient gearbeitet hätten. Erschwerend sei ein Mangel an qualifizierten Chemikern hinzugekommen, die etwa bis 1910 fast ausschließlich von einer der großen Ingenieursschulen, den Écoles polytechniques, gekommen seien. Erst kurz vor Kriegsbeginn habe man versucht, die institutionenübergreifenden Rivalitäten zu überwinden und sich zusammenzuschließen. Immer mehr Forschungsstudien wurden in der Folge in Auftrag gegeben und durchgeführt, die feindlichen Truppen – vor allem deutsche und österreichische – ausspioniert und die Ergebnisse in monatlichen Veröffentlichungen zusammengetragen, um sie landesweit zu verbreiten. Frankreich habe demnach, so lautete Brets Fazit, von den deutschen Erkenntnissen profitiert, auch wenn schwer zu sagen sei, in welchem Ausmaße. Die eigene Forschung sei durch die vielen Studien vielleicht sogar eher vernachlässigt worden.

Mit Frankreichs Rolle in der Geschichte der als „Vergeltungswaffen“ konzipierten „fliegenden Bombe“ V1 (Fi 103) und der weltweit ersten Rakete V2 (A 4) beschäftigte sich Maud JARRY (Institut d’études politiques, Paris). Daß die Küste des Ärmelkanals aufgrund der begrenzten Reichweite der V-Waffen (250–300 km) als Abschußbasis der V1 und V2 gegen London eine wichtige geographische Bedeutung hatte, ist hinreichend bekannt. Die Referentin legte daher statt dessen den Hauptakzent auf die darüber hinausgehenden Kooperationen Frankreichs mit dem NS-Regime: Zum einen wurden französische Gendarmen als Aufseher an den Baustellen der Abschussbasen eingesetzt; zum anderen stellte das Vichy-Regime zahlreiche Arbeiter zur Verfügung. Dabei handelte es sich zunächst um Freiwillige, später in der Regel dann – wie bei den zur Entwicklung und Produktion der V-Waffen im Reich eingesetzten Franzosen – um Zwangsarbeiter.

Licht ins Dunkel des wenig bekannten Bereiches des Technologietransfers nach 1945 brachte Olivier HUWART (Paris). Er vertrat die These, daß Frankreich im internationalen Vergleich zu Beginn des Krieges im Rüstungsbereich schlecht gewappnet gewesen sei. Erst am Ende der deutschen Besatzung, im Sommer 1944, habe man den Rückstand erkannt und begonnen, sich deutsche Maschinen, Rohmaterialien sowie die neuesten theoretischen Forschungserkenntnisse des bezwungenen Nachbars anzueignen. Unsystematisch wurden deutsche Archive (zum Beispiel der Firma Messerschmidt) konfisziert, der Bodensee nach U-Booten abgesucht und Forschungsanstalten besetzt. Erst Präsident de Gaulle habe ab September 1945 dafür gesorgt, daß deutsche Forscher auch in Frankreich aktiv werden mußten. Im besetzten Deutschland hingegen waren Forschung und Produktion verboten. Der Technologietransfer basierte demnach auf drei Achsen: Aneignung von Dokumenten, detaillierte Untersuchung bestehender Geräte und schließlich Einbindung deutscher Wissenschaftler. Ab 1946 kam es zu ersten gemeinsamen Projekten, aus denen binationale Forschungseinrichtungen hervorgingen. Der deutsche Beitrag in der französischen Rüstungsindustrie der Nachkriegszeit sei demnach nicht zu leugnen, wenngleich er, wie HUWART betonte, nur etwa ein Drittel der technologischen Entwicklung ausgemacht habe.

Mit der Geschichte eines dieser deutsch-französischen Forschungsinstitute der Nachkriegszeit beschäftigte sich Ansbert BAUMANN (Universität Tübingen). Der Titel seines Vortrags: „’Was die wissenschaftlichen Ergebnisse betrifft, so ist es völlig unerheblich, wo wir arbeiten’ – Die deutschen Ballistiker im Dienste Frankreichs nach 1945“ deutete bereits an, daß es ihm um die diffizilen Beziehungen zwischen den Interessen der „großen Politik“ und denen der Wissenschaftler geht, die sich selbst als unpolitisch begreifen. Das Institut Saint-Louis (ISL), am 31. März 1958, knapp drei Jahre nach dem NATO-Beitritt der Bundesrepublik, durch Franz Josef Strauß und Jacques Chaban-Delmas offiziell als deutsch-französisches Forschungsinstitut gegründet 3, sei hierfür eines der besten Beispiele. Von den Nationalsozialisten als Institut für Ballistik der Technischen Akademie der Luftwaffe gegründet und gegen Ende des Krieges von Berlin nach Biberach an der Riss ausgelagert, wurde es nach dem Einmarsch der französischen Truppen besetzt. Aufgrund des großen Interesses Frankreichs an der deutschen Grundlagenforschung auf dem Gebiet der Ballistik wurde das forschende Personal um Hubert Schardin von einem auf den anderen Tag übernommen: Dasselbe Personal, welches einst für die Nationalsozialisten arbeitete, wurde nun für die französische Regierung tätig.

Doch nicht nur die französische Seite nahm deutsches Fachwissen in Anspruch, auch Deutschland profitierte zehn Jahre später im Zuge seiner Wiederbewaffnung von französischer Technik im Bereich der Rüstung – eine Verbindung, auf die Dieter KOLLMER (MGFA, Potsdam) in seinem Vortrag einging. Aus wirtschaftsgeschichtlicher Perspektive gliederte er die Kooperation zwischen 1953 und 1973 in drei Phasen: Die Beschaffung von Großgeräten, unter anderem aus Frankreich, diente in den fünfziger Jahren nicht ausschließlich der Bundeswehr, sondern zusätzlich dem Ausgleich von Außenhandelsüberschüssen. Ab den frühen sechziger Jahren sollte die wirtschaftliche Situation hingegen durch den Aufbau der nationalen Rüstungsindustrie stabilisiert werden, so daß lediglich Wehrmaterial importiert wurde, das in Deutschland nicht produziert werden konnte. In den frühen siebziger Jahren wurde die Zusammenarbeit aufgrund der Einsicht forciert, daß multinationale Rüstungsanstrengungen kostengünstiger waren als nationale Alleingänge. Somit habe die Kooperation beider Länder in wirtschafts- und sicherheitspolitischen Fragen zur europäischen Einigung entscheidend beigetragen. Letztlich haben Deutschland und Frankreich nach dem Krieg eine pragmatische, teilweise sehr effiziente Rüstungskooperation aufgebaut, deren Ergebnisse wachsendes Vertrauen sowie die erfolgreiche Produktion von zivilen Flugzeugen (EADS) sei.
Eine ebenfalls positive Bilanz deutsch-französischer Zusammenarbeit nach dem Zweiten Weltkrieg zog Christophe ROTHMUND (Société nationale d'étude et de construction de moteurs d'aviation, SNECMA) in seinem technikgeschichtlich orientierten Vortrag über den gemeinsamen Bau kryotechnischer Raketenantriebe. Hier führen geteilte Kosten und vereintes Wissen von Spezialisten trotz gelegentlicher kultureller und sprachlicher Schwierigkeiten seit nunmehr über 25 Jahren zu großem Erfolg, wie die Trägerrakete Ariane immer wieder unter Beweis stelle.

Auch die Tagung kann als Beispiel fruchtbarer deutsch-französischer Zusammenarbeit gesehen werden. Wie Jörg ECHTERNKAMP in seiner Zusammenfassung hervorhob, hatte man weniger das Ziel verfolgt, die nationalen Geschichten zu vergleichen, als in Anlehnung an das französische Konzept der „histoires croisées“ für den Bereich des Rüstungswesens Berührungspunkte und Verflechtungen im Laufe des 20. Jahrhunderts herauszuarbeiten. In ihrer abschließenden Wertung betonten er und Stefan MARTENS übereinstimmend, daß trotz des speziellen Themas Rüstung zahlreiche allgemeine Aspekte und Fragen angesprochen worden waren. So hatte man im Zuge der einzelnen Beträge den Blick sowohl auf Individuen, Gruppen und Institutionen gerichtet und dabei das Spannungsfeld von Kollaboration und Spionage, die Haltung des einzelnen Wissenschaftlers zur Politik und der politischen Indienstnahme wissenschaftlicher Institutionen beleuchtet. Der eingangs als ein Nischenthema präsentierte Bereich der Rüstungsgeschichte habe sich als ein ertragreiches interdisziplinäres Feld erwiesen, auf dem sich Technik-, Wirtschafts-, Sozial- und Institutionengeschichte kreuzen.

Wie schon im Falle der ersten beiden Treffen ist auch diesmal die Publikation der Ergebnisse geplant. Die Reihe wird als gemeinsame Veranstaltung von CEHD und MGFA in Zusammenarbeit mit dem DHIP voraussichtlich schon im nächsten Jahr fortgesetzt.

1 Die Beiträge wurden veröffentlicht in: Armée et pouvoir en Allemagne et en France aux XIXe et XXe siècle, Paris 2006 (Cahier du Centre d’études d’histoire de la défense, 26).
2 Vgl. das Programm : http://www.dhi-paris.fr/seiten_deutsch/veranstaltungen/programme/CEHD.doc
3 Vgl. http://www.isl.tm.fr


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